Inhaltlich orientieren wir uns in unserer Pfarrei an einem Bibelwort aus dem 1. Johannesbrief 4, 18: "Gott ist die Liebe. In der Liebe gibt es keine Furcht; denn Furcht rechnet mit Strafe. Liebe rechnet mit Barmherzigkeit." Nicht jedes Gottesbild heilt Leib und Seele. Wir wissen um dämonische Gottesbilder, die Menschen krankmachen können. Auch in unserer Pfarrei sind Kinder und Heranwachsende Opfer von Gewalt geworden, die eine wesentliche Ursache auch in dämonischen Gottesbildern hatte. Dafür bitten wir um Vergebung, bemühen uns um glaubwürdige Wiedergutmachung, wohl wissend, dass derartiges Leid niemals „wiedergutzumachen“ ist, und verpflichten seit Jahren alle, die in unseren Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen umgehen, zu Präventionsschulungen, um jede Form von Gewalt gegen Schutzbefohlene zu minimieren.
Wir bekennen eindeutig: Der Gott Jesu, der jedes Geschöpf in seiner bedingungslosen Liebe birgt und zu Weihnachten immer neu als Kind zur Welt kommen will, ist ein Gott der Liebe. Leider befürchten auch heute viele Verkünder der Frohen Botschaft, dass die übermäßige Betonung der Liebe Gottes dazu führen könnte, dass der Glaube zu schlicht und einfach würde. Er müsste gar ergänzt werden um Gottes Zorn und Strafe. Nein, im Herzen Gottes wohnt die Liebe; sie ist Gottes Charakter und Wesen. Zur Liebe gehören natürlich alle Emotionen, die wir Menschen auch kennen – aber niemals führen sie dazu, dass Gott sein Geschöpf nicht mehr liebt. Jesus achtet den Sünder, aber ächtet die Sünde. Dieser eine Satz hilft zu verstehen, wie Gott an den Menschen handelt: Er achtet den Sünder, aber mit ihm gemeinsam ächtet er die Sünde. Sein Zorn richtet sich nie gegen den Menschen, sondern immer nur gegen das, was er tut. Glaube, Hoffnung und Liebe sind eine Folge dieser österlich-vorleistungsfreien Liebe Gottes, nicht aber eine Bedingung dafür, dass er uns annimmt und liebt. Die Bilder einer Höllenstrafe haben hier ihre elende Ursache: Würde sich der Zorn Gottes gegen den Sünder richten, käme dieser zur Bestrafung „in die Hölle“. Weil sich aber Gottes Zorn gegen das richtet, was der Sünder tut, brauchen wir uns vor einer ewigen Verdammnis nicht zu fürchten. Dass sich Gott schon morgens über mich „freut und jubelt über mich, er seine Liebe zu mir erneuert, er vor Freude tanzt, weil es mich gibt, wie man frohlockt an einem Festtag“ (Zefanija 3,17) – all das verschweigt die Kirche viel zu oft, obwohl doch gerade solche Bibelverse die Frohe Botschaft ausmachen.
Im Alten Testament künden viele, leider oft vernachlässigte Bibelstellen von der Krönung des Menschen, die durch die Lichterkronen der Heiligen Lucia ebenso ausgedrückt werden wie durch die gekrönten Sternsinger: „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.“ (Jesaja 61) - Und: „Du hast mich wenig niedriger gemacht denn Gott, und mit Ehre und Schmuck hast du mich gekrönt.“ (Psalm 8,5) - Und vor allem: „Du wirst eine prachtvolle Krone sein in der Hand des HERRN und ein königliches Diadem in der Hand deines Gottes.“ (Jesaja 62) – Wer diese Hochzeitstexte rund um das Weihnachtsfest, an dem wir vor einem Kind in der Krippe (!) die Knie beugen, auf die Würde der Kinder und aller Schutzbefohlenen bezieht, kann erahnen, welche Abgründe sich gerade in der Kirche auftun, wenn Mächtige ihre Macht über Schwächere missbrauchen; Jesus betont: „Ihr wisst, dass Mächtige ihre Macht missbrauchen; bei Euch aber soll es nicht so sein!“ Jede Gewalt gegen Schutzbefohlene ist im Licht des Weihnachtsfestes Gotteslästerung – auch der scheinbar harmlose Klaps auf den Hintern, „der noch niemandem geschadet“ habe. Zu eindeutig sind die adventlich-weihnachtlichen Zeichen der Gotteswürde eines jeden neugeborenen Kindes; insbesondere die Sternsinger sind personale Sakramente des Christkindes.
Weder die gekrönten Lucia-Mädchen noch die Sternsinger „verkleiden“ sich, sondern sind eine einzige Tauferinnerung: Der Mensch hat Christus wie ein Gewand angezogen, und sein Schöpfer vermählt sich immer wieder mit ihm und krönt den Menschen mit ewiger Würde.
Niemals darf ein Kind Opfer von Gewalt werden; Gott sei es geklagt, dass es dennoch Tag und Nacht unzählige Male geschieht.
Pfarrer Felix Evers