Interview im Nordkurier vom 8.12.2017

Informationen des Erzbistum Hamburg zum den gegenwärtigen Kenntnisstand hinsichtlich der Missbrauchsvorwürfe gegen Pfarrer Timmerbeil
Interview des Nordkurier mit dem Pressesprecher des Erzbistums Hamburg, veröffentlicht im Nordkurier am 8.12.17

Fragen zum Thema Missbrauch in Neubrandenburg

Vorbemerkung: Vorrang haben polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Im Zentrum der kirchlichen Aufarbeitung steht die Sorge um die direkt und indirekt Betroffenen.

1. Seit wann liegen dem Erzbistum Vorwürfe gegen Pfarrer Timmerbeil vor?

Im Jahr 2010 sind uns Vorwürfe gegen Pfarrer Timmerbeil durch mehrere Betroffene bekannt geworden.

2. Seit wann ist das Erzbistum in dieser Sache tätig geworden?

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben wir im Jahr 2010 entsprechende Vorfallsanzeigen an die zuständige Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg gerichtet.

3. Worauf beziehen sich die Vorwürfe? Sexueller Missbrauch? Körperliche Gewalt?

Die Vorwürfe beziehen sich auf schwere psychische, physische und sexuelle Gewalt.

4. Ich habe die Information, dass es 100 Anzeigen bzw. Beschwerden beim Bistum zu Pfarrer Timmerbeil wegen seiner Tätigkeit in der Gemeinde Neubrandenburg geben soll. Können Sie diese Zahl bestätigen? Falls nicht, wie viele Anzeigen/Beschwerden/Informationen von wie vielen Menschen liegen dem Erzbistum vor?

Diese Zahl können wir nicht bestätigen. Bis heute haben sich 12 Personen an uns gewandt und über erlittenes Leid berichtet. Möglicherweise gibt es aber weitere Betroffene. Uns liegen Hinweise auf Personen vor, die sich aber persönlich nicht an uns gewandt haben.

5. Was ist bekannt über die angeblich 23 Kinder, die "spurlos" aus dem katholischen Kinderheim Neubrandenburg verschwunden sind? Gibt es Nachweise, was aus diesen Kindern geworden ist?

Wir haben in intensiver Recherche und Durchsicht der uns vorliegenden Akten und Heimbücher 17 Menschen identifiziert, über deren spätere Aufenthaltsorte wir keine Hinweise finden konnten. Die Namen dieser Menschen haben wir der Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg mitgeteilt.

6. Inwieweit ist bekannt, ob Pfarrer Timmerbeil Kinder aus dem Kinderheim Neubrandenburg zur Adoption nach Westdeutschland vermittelt hat?

Das ist uns nicht bekannt.

7. Welchen Stand hat die Aufarbeitung in Sachen Pfarrer Timmerbeil im Erzbistum erreicht?

Wir arbeiten an einem schriftlichen Bericht und stellen dazu derzeit alle relevanten Informationen zusammen. Der Bericht wird veröffentlicht. Zuvor wird jedoch die Gemeinde informiert.
In einer Gemeindeversammlung haben wir bereits 2012 über den damaligen Kenntnisstand informiert.
Im Januar 2017 haben wir in einer weiteren Gemeindeversammlung über die neuen weiteren Erkenntnisse informiert.

8. Wie soll die Aufarbeitung abgeschlossen werden? Bericht? Information der Gemeinde Neubrandenburg bzw. der Öffentlichkeit?

Es ist schwierig zu sagen, ob die Aufarbeitung eines solchen lang andauernden Missbrauchssystems je einfach abgeschlossen werden kann. Der öffentliche Bericht wird jedenfalls ein weiterer Schritt der Aufarbeitung sein. Ihm werden weitere Schritte folgen.

9. Inwieweit gibt es weitere Ermittlungen des Erzbistums zu Vorfällen von Missbrauch in katholischen Gemeinden im heutigen Mecklenburg-Vorpommern vor 1990?

Vorbemerkung: Nur der Landesteil Mecklenburg gehört zum Erzbistum Hamburg. Der Landesteil Vorpommern gehört kirchlicherseits zum Erzbistum Berlin.

Ermittlungen sind Sache der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Im Jahr 2010 haben wir Vorwürfe gegen vier weitere Priester aus Mecklenburg an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Die Vorwürfe bezogen sich auf den Zeitraum von 1953 bis in die 1980er-Jahre. Drei der verdächtigten Priester waren 2010 bereits verstorben, ein weiterer lebte im Ruhestand und ist 2011 verstorben. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind nach unseren Informationen seinerzeit eingestellt worden. Unsere Gespräche mit den Betroffenen, die Kontakt mit uns aufgenommen haben, sind abgeschlossen.

Gestatten Sie noch eine Nachfrage: Inwieweit gibt es Rehabilitierungsmöglichkeiten für Betroffene, möglicherweise auch finanzieller Art? Gab es bereits finanzielle Entschädigungen für Betroffene der Neubrandenburger Gemeinde?

Für das gesamte Erzbistum Hamburg (Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg) kann ich sagen: In der vergangenen Jahren haben etwa 50 Personen finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids beantragt und erhalten. Die gezahlte Summe betrug jeweils 5.000 Euro. Einige Personen haben auch Kostenerstattungen für therapeutische Maßnahmen erhalten. Wer dieses Geld erhalten hat und woher die Personen stammen, teilen wir allerdings nicht mit.

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